Montag, 21. Januar 2013

Wie wir arbeiten II


Heute wollen wir Ihnen zeigen, wie wir die alten Stickmustertücher als Quellen der Inspiration benutzen, um etwas Neues dem heutigen Zeitgeschmack Entsprechendes zu schaffen, ohne das Alte zu verleugnen. Ute Scheer hat mit dem Tuch "Blumenbarock 1" http://www.historischestickmuster.de/us_blumenbarock.htm
einen unserer Bestseller geschaffen. Auf dem Tuch finden sich viele alte Tapisseriemuster, die dazu dienten Polster zu sticken, oft in dickem Wollgarn. Die Muster dafür finden sich auf den alten Mustertüchern, die zum Sammeln und Bewahren dessen, was man sticken wollte, dienten. 

HAG 1683 Bayerisches Nationalmuseum München. Oben rechts sieht man zwei flächig gestickte Tapisseriemuster.

CRF 1752 (Foto aus: Samplers - How to compare and value by Stephen and Carol Huber) Auch hier sieht man in der Mitte rechts ein kleines, sehr farbenfrohes Tapisseriemuster.


ISL 1729: Und auch bei diesem Mustertuch aus dem Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart sieht man oben links in der Ecke zwei opulente Tapisseriemuster.

Ute Scheer hat diese Tapisseriemusteruster in das Mustertuch "Blumenbarock 1" übertragen und durch die subtile Farbgebung in verschiedenen gedeckten Grau-, Braun- und Blaunuancen etwas ganz Neues und Modernes geschaffen. Bei mir hängt das Bild gerahmt und hinter Glas an der Wand. Leider nimmt das Glas etwas von der Brillianz der Seidenstickerei, die beim Fotografieren nicht so zum Tragen kommt wie in der Realität! Und hier kommen einige wunderschöne Detais aus dem Tuch "Blumenbarock 1":







Wirken diese alten Muster aus der Barockzeit in neuem Gewand nicht ganz modern?
Übrigens HAG 1683 und ISL 1729 bieten wir auch als Replik zu Nachsticken an.



Sonntag, 20. Januar 2013

Wie wir arbeiten

Heute wollen wir Ihnen mal einen Einblick in unsere Werkstatt und den tieferen Sinn hinter unserer Arbeit gewähren!

Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, ein besonders interessantes Mustertuch aus dem reichen Fundus einer Privatsammlung zu erstehen. Hier ist es:


Es ist ein französisches, eventuell ein belgisches Tuch aus dem späten Biedermeier, ca. 1840. Heute präsentiert sich das Tuch in einem blassen Altrosa, es hat nicht mehr die reiche Farbigkeit der hohen Biedermeierzeit um 1825. Außerdem wirken die einzelnen Motive, insbesondere die ausdifferenzierten Blumensträuße in der Draufsicht leicht angeschrägt, so dass eine Dreidimensinalität vorgetäuscht wird, eine Methode, die um 1850 mit der Berliner und Wiener Wollstickerei ihre eigentliche Ausprägung erfährt.
Und hier noch ein paar Details aus dem Tuch:







Die Motive sind auf feinstem 28er Leinen über zwei Gewebefäden gestickt, unfassbar fein. Ein Nachteil aus heutiger Sicht ist sicher der Eindruck der Unfertigkeit und die etwas wahllose Anordnung der Motive.

Um eine qualitätvolle Vorlage zu erstellen, geben wir Stich für Stich in den PC ein, was ein mühseliges und langwieriges Unterfangen ist.



Das Programm ermöglicht einem am Ende die Übersicht über das gesamte Mustertuch, so dass man den Gesamteindruck noch einmal überprüfen kann.




Und das haben wir aus unserem Original gemacht:



Wie Sie sehen, haben wir die Muster neu angeordnet, um ein harmonisches Erscheinungsbild zu erzeugen. Da wir weder von der Originalfarbe noch von den Motiven abgewichen sind, würden wir dieses Mustertuch immer noch als Replik bezeichnen! Allerdings haben wir ein kleines verräterisches Motiv in dieses Mustertuch hineingeschmuggelt, um es zu individualisieren und um es als unsere Arbeit zu kennzeichnen. So kann man wie bei den alten Mustertüchern erkennen, wer wo abgestickt hat und wie die Muster wandern. Das Motiv passt weder stilistisch noch von der Zeit in das Tuch hinein! Wer findet heraus, um welches Motiv es sich handelt?

Und hier noch ein Wort zum Sticken von Repliken. Das Sticken von Repliken ist eigentlich etwas total Ahistorisches. So schön es ist, eine Replik zu sticken, auch wir haben Repliken zum Nachsticken in unserem Programm, so wenig entspricht es doch der Geschichte der Mustertücher. Das Sticken von Repliken kommt eigentlich erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts auf. In all den Jahrhunderten zuvor finden wir unter den abertausenden Stickmustertüchern, die sich erhalten haben, nicht zwei gleiche. Es wurde eben nicht einfach abgestickt, sondern die Muster wurden immer wieder neu zusammengestellt, weiterentwickelt und abgewandelt. Nur so konnte die Vielfalt entstehen, der wir heute staunend gegenüberstehen. Waren die Stickerinnen vergangener Jahrhunderte so viel kreativer als wir heute?
In diesem Sinne versuchen auch wir zu arbeiten, ohne Kenntnis des Vergangenen kann man nichts Neues erschaffen. Aber wir leben nicht mehr in der Barockzeit, Stil und Geschmack ändern sich mit der Zeit. So versuchen wir die alten Muster neu zu gestalten und neu zu interpretieren. Nur so leben sie weiter und geraten nicht in Vergessenheit!

Am besten drückt das ein Sinnspruch aus, den ich bei Herta Wilk in ihrem Buch über Siebenbürger Webmuster gefunden habe:
"Lasset uns am Alten, so gut es ist, halten
Doch auf altem Grund Neues wirken jede Stund."

In diesem Sinne wünschen wir allen unseren Lesern einen schönen Sonntag.


Samstag, 19. Januar 2013

Und noch ein Siebenbürger Mustertuch




Die Siebenbürger Muster sind sehr archaisch. Sie sehen aus, als ob sie aus einer ganz anderen Zeit auf uns gekommen sind. Das macht ihren eigentlichen Reiz aus. Der "Vogelbaum" (123 x 166 Stiche) erinnert natürlich an den "Baum des Lebens". Religiöse Motive spielen auf den Mustertüchern immer eine Rolle. Da die Siebenbürger Muster zumeist gleichzeitig Webmuster waren, habe ich versucht, bei diesem Entwurf ganz nah an ein Stoffmuster heranzukommen. Man sieht wie man mit diesen Webmustern spielen kann. Die beiden Muster, die wir gestern veröffentlicht haben, wirken auf Grund der Farbgestaltung ganz modern, dieses eher traditionell. Ich werde das Muster auf 16er Seidengaze sticken, so erhält man eine Miniatur von 7,5 mal 10,5 cm Größe, die gerahmt auf einer Staffelei auf der Fensterbank sicher ganz toll wirkt. Ich kann es gar nicht erwarten zu starten, habe mir aber fest vorgenommen, zuerst das Tuch, das gerade in Arbeit ist, zu beenden.
Auch dieses Tuch finden Sie in den nächsten Tagen auf unserer Homepage

Freitag, 18. Januar 2013

Noch etwas Neues

Wir waren mal wieder fleißig. Was soll man bei diesem Wetter sonst machen, als am Schreibtisch zu sitzen und über neuen Entwürfen zu grübeln! Und hier sind sie:



Siebenbürger Borten 1 209 x 209 Stiche



Siebenbürger Borten 2 209 x 206 Stiche


Die Kreuzstich-Stickerei der Siebenbürger Sachsen ist eine äußerst bemerkenswerte abstrakte Volkskunst. Man kann der Formsprache der Romanik und des Mittelalters geradezu nachspüren beim Betrachten der Siebenbürger Stickereien. In dieser Stickerei spiegelt sich noch immer der völkerverbindende Mittelmeerraum, der Muster und Motive aus vielen Quellen zusammenführte bis hin zu koptischen Textilien und orientalischen Seidenstoffen.
Viele dieser sehr alten Muster sind im westlichen Europa aber auch im Vorderen Orient verlorengegangen und haben sich nur in der Enklave der Siebenbürger Sachsen erhalten, die unbeeinflusst von ihrer ihnen oft feindlich gesinnten Umwelt diese Motive über Jahrhunderte erhalten und tradiert haben.
Die Muster der Siebenbürger Sachsen sind sehr flächige, massive Muster, sie wirken nicht leicht und filigran. Die Leichtigkeit erhalten sie im Original durch die Abwechslung von rotem oder blauem, manchmal auch schwarzem Kreuzstich auf weißem Leinen. Dadurch unterscheidet sich diese Volkskunst ganz deutlich von der bunten, flächigen und Lebensfreude ausstrahlenden Stickerei, die von den eigentlichen Balkanvölkern gepflegt wird.
Diese Muster kommen in Siebenbürgen aber nicht nur als Kreuzstichmuster vor, sondern vermehrt auch als Webmuster, bereits im 15. Jahrhundert gab es ein regelrechtes nach Zünften geordnetes Textilgewerbe. Und dort wo Flachs angebaut und zu Leinen verarbeitet wird, ist der Kreuzstich nicht weit!
Das große durch vier Farben aufgeteilte Muster der"Siebenbürger Borten 1" in der Mitte des Tuches ist eindeutig als Webmuster verwendet worden und als Stickmuster weiter entwickelt worden.

Wie so oft habe ich versucht, den alten Mustern eine moderne Anmutung zu geben, diesmal durch die Verwendung von Farben, die unserem heutigen Farbempfinden entsprechen. Werden nur die eigentlichen Muster gestickt, wenn möglich in einem typischen Rotton und der farbige Hintergrund freigelassen, so erhält man wieder ein ganz traditionelles Stickmustertuch.

Wir empfehlen, es im Petit Point Stich zu sticken. Das Muster kommt wunderbar auch im Petit Point Stich heraus und als Miniatur wirkt es besonders schön. 
In Kürze werden Sie die beiden Tücher auch als Angebot auf unserer Homepage unter www.historischestickmuster.de finden

Donnerstag, 17. Januar 2013

Neu, Neu, Neu!

Endlich! Wer selber keine Mustertücher sammelt, findet vielleicht an Büchern rund um`s Thema Gefallen, die mit wunderbaren Fotos von Mustertüchern aufwarten. Am 18. Februar erscheint ein neues Buch:





Berthi Smith-Sanders: Merk- en Stoplappen uit het Burgerweeshuis Amsterdam
Noch ist es in der Druckerei, ab 18. Februar wird ausgeliefert! Das Buch befasst sich mit den Mustertüchern, die im Städtischen Waisenhaus Amsterdam entstanden sind. Es ist auf 164 Seiten reich bebildert und enthält eine Stickmustervorlage. Das Buch ist auf Niederländisch geschrieben, am Ende findet sich auf drei Seiten eine englische Zusammenfassung des Inhalts. Kostenpunkt: 34,50 € inklusive Porto nach Deutschland. Nach dem 18. Februar ist es ca. 3,00 € teurer.

Berthi Smith-Sanders nimmt im Moment gegen Vorkasse Vorbestellungen unter berthismith@textile-collection.nl an. Bei mir hat diese Emailadresse allerdings nicht funktioniert. Ich habe über die Kommentarfunktion in Berthis Blog mit ihr Kontakt aufgenommen und über diesen Weg bestellt. Hat auch geklappt. Die Antwort kam postwendend. Und hier die Blog-Adresse:

Ein weiterer Blick ins Buch gibt schon mal einen kleinen Vorgeschmack, auf das, was uns erwartet:







Mittwoch, 16. Januar 2013

Winterwelt


Was gibt es Schöneres bei diesem Wetter, als zu sticken. Mit Blick auf die verschneite Winterwelt genießt man die warme Sofaecke doppelt.

 



Der Schnee hat alle Konturen im Garten weichgezeichnet. Die Gartenarbeit ruft nicht und so ist ganz viel Stickzeit gewonnen. Der Winter hat doch wunderbare Seiten!

Dienstag, 15. Januar 2013

Himmlisches Jerusalem

Wie versprochen wollen wir uns in diesem Jahr in unregelmäßigen Abständen den Motiven auf den Mustertüchern zuwenden und diese erläutern, weil oft das Verständnis für das Dargestellte verlorengegangen ist. 

Auf den Mustertüchern ist oft eine Stadt oder eine Burganlage zu sehen. Es ist die Darstellung des "Himmlischen Jersalems". Gleichzeitig ist es das Symbol des Gottesstaates und der Kirche. In protestantischen Gegenden wird die Darstellung der Burganlage auch als bildhafte Darstellung Gottes als "feste Burg" gedeutet.

Nun folgt eine Sammlung von Varianten dieses Motivs, zunächst einzeln und dann im Zusammenhang eines Mustertuches:





 




Sie sehen, die Varianten sind vielfältig. Das Motiv wurde über Jahrhunderte gestickt und vor allem in protestantischen Gegenden immer wieder aufgegriffen.